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26.05.2007 09:23 Uhr   #8
Ich habe hier einen schönen Text eines Redakteuers des "Handelsblatt" gefunden. Hierbei beschreibt er (unter anderem) den Missstand, dass in Deutschland viele Politiker nicht einmal eine Email schreiben können, aber trotzdem entscheiden, was für uns Internetnutzer "gut" ist!

Link

Den Text gibt es auch im Anhang zu lesen, wer zu faul zum Linkklicken ist.

Meine Meinung dazu ist nur:
Wenn die sich nicht mit dem Internet beschäftigen wollen, so sei es. Aber dann sollten sie wenigstens auf Ihre Berater/Experten hören, wenn sie über was zu entscheiden haben. Ich bemängele ja schon lange, dass der Staat Millionen unserer Steuergeld für Berater ausgibt, die dann das Ergebnis und Empfehlungen aussprechen und die Politiker nur sagen: "Aha, interessant! Klingt auch gut; aber wir machen das anders!" Da hätte man das Geld auch gleich sparen können, anstatt auf keinen Experten zu hören!
 
Generation Web 0.0

Deutschlands Entscheider sind nicht im Internet - und stolz darauf. Den Schaden haben Wirtschaftsstandort und Gesellschaft.

Michael Glos ist "Bundesminister für Wirtschaft und Technologie". Wer solches auf seine Visitenkarte schreibt, von dem erwarten die meisten Bürger wohl, dass er die grundlegende Anwendung von Alltagstechniken beherrscht. Telefonieren zum Beispiel, Autofahren, E-Mail-Schreiben oder Internet-Surfen.

Wer hier zustimmt, dem kann das offene Bekenntnis von Michael Glos während der IT-Messe Cebit nur mit Verwunderung aufnehmen: "Das Handy zu bedienen ist schon viel", sagte der Minister zu Spiegel Online. "Ich habe Gott sei Dank Leute, die für mich das Internet bedienen.” Man weiß nicht, was mehr verblüfft: Dass ein Minister Mühe hat, mit dem Handy umzugehen? Dass er keine E-Mails verschickt? Oder dass er darüber sogar erleichtert ist?



Allein ist Glos mit seiner Haltung nicht. Weite Teile der deutschen Entscheider tummeln sich weder im Web 2.0 noch im Web 1.0 - sie gehören zur Generation Web 0.0.

Zum Beispiel Werner Müller, Chef des Mischkonzerns RAG. Keinen Computer hat er im Büro. Die "wesentlichen Inhalte" des Internets lasse er sich "vorlegen", erzählt er ohne Argwohn in einem Video für den Branchentreff "Tag des Wirtschaftsjournalismus".

Oder Jörg Zierke. Dem Chef des Bundeskriminalamtes wurde bei einem Fachgespräch der Grünen zum Thema Bürgerrechte vom Dresdner Datenschutzprofessor Andreas Pfitzmann vorgeworfen: "Mit dieser Unbefangenheit über Informatik reden kann nur jemand, der nicht mit Informatik arbeitet." Zierkes entwaffnend naive Antwort: "Ich sage auch nur, was mein Mitarbeiter aufschreibt."

Medientheoretiker philosophieren seit den ersten für Normalbürger erschwinglichen Personalcomputern über die "digitale Spaltung" der Welt: Eine Kluft, sagten sie, entstehe zwischen den reichen, digitalisierten Nationen und den armen Staaten ohne flächendeckende Internetversorgung. Ebenso könnte sich dieser Graben innerhalb von Ländern auftun - zwischen Städten mit guter Online-Anbindung und schlecht verkabelten ländlichen Gegenden.

Nun ist klar: Die digitale Spaltung ist da - doch sie verläuft quer durch die Gesellschaften der industrialisierten Nationen.

Wer sich auf welcher Seite des Internet-Canyons befindet, lässt sich mit den üblichen soziodemographischen Merkmalen wie Bildungsstand, Einkommen oder Alter nicht ausmachen. Da gibt es den Manager, der E-Mails nur ausgedruckt von seiner Sekretärin erhält; die Rentnerin mit digitaler Fotografie als Hobby; den Studenten, der seinen Laptop nur zum Schreiben der Semesterarbeit nutzt; die Sechsjährige, die weiß, wo sie im Netz die besten Online-Spiele findet, deren Tischnachbar in der Schule aber Eltern hat, die stolz sagen: "Unser Kind bekommt keinen Computer."

Und weil sich nicht so einfach festmachen lässt, wer im digitalen Strom mitschwimmt, entlarvt sich die beliebteste Begründung der Nicht-Onliner für ihr Tun als platte Ausrede. Denn reflexhaft betonen sie, Internet-Affinität sei eine Frage des Alters. Nehmen wir den SPD-Innenexperten Dieter Wiefelspütz. Auf die Frage von Tagesschau.de, warum die Politik sich so schwer tue mit dem Netz, sagte er: "Vielleicht deshalb, weil unsere Kinder und Enkelkinder mit der Technik vertrauter sind als wir etwas älteren Herren und Damen, die im Bundestag sitzen."

Die Zahlen belehren Wiefelspütz eines Besseren. Die Hälfte aller Deutschen über 50 hat einen Computer, jeder vierte deutsche Surfer ist laut Arbeitsgemeinschaft Online-Forschung über 50 Jahre alt. Und nach einer Studie des Instituts für Handelsforschung nutzen derzeit 23 Prozent der 50- bis 59-Jährigen das Internet für Besorgungen. Laut Infratest TNS ist schon jeder sechste Computerspieler über 50 Jahre alt. Während sich die Politiker digital zur Ruhe setzen, werden ihre Wähler mit Leichtigkeit zu grau melierten Surfern.

Wem Zahlen nicht reichen, der kann einen Blick auf das Hobby von Peter Oakley werfen. Der englische Rentner, Jahrgang 1927, stieß im vergangenen Jahr auf die Videoplattform Youtube und wurde, wie er zugibt, "süchtig". Unter dem Spitznamen Geriatric1927 erzählt er seit August 2006 in kurzen Filmen aus seinem Leben. Entstanden ist anrührendes, authentisches Reality-TV. Einige seiner inzwischen 66 Videos kommen auf über zwei Millionen Abrufe. Online sein ist eben keine Frage des Alters - sondern des Willens.

Natürlich stellt sich die Frage, ob Politiker und Manager überhaupt ins Netz müssen. Wie viel Internet-Wissen brauchen die Lenker der Nation, die Führer der Wirtschaft? Muss jemand online sein, der sich eine Assistentin leisten kann, die ihm E-Mails ausdruckt? Schließlich muss ein Politiker auch keine Solarkraftanlage montieren können, um die Bedeutung alternativer Energiequellen einschätzen zu können. Er muss keinen PKW reparieren können, um die Bedeutung der Autoindustrie zu erkennen.

Solche Argumente aber greifen zu kurz. Zum einen, weil es kein großartiger Zeitaufwand ist, die Grundlagen des Surfens und E-Mail-Versendens zu erlernen - ein paar Stunden reichen. Zum anderen ist das Internet eben etwas anderes als ein Solardach oder die Autokonjunktur: Keine andere Technologie hat in der Geschichte der Menschheit unsere Wirtschaft und unsere Gesellschaft derart rasant und grundlegend verändert. Vor zehn Jahren waren nicht einmal Computer selbstverständlich, erst recht nicht in Behörden oder Schulen - heute lebt hinter dem Mond, wer seinen Urlaub nicht im Web bucht.

Die Netz-Abstinenz der Entscheider hat weitreichende Folgen - in der Bundes- wie in der Europa-Politik. Da wird die Durchsuchung der Kreditkartendaten von Millionen unschuldiger Bürger zur Strafverfolgung durchgewinkt, ohne große Diskussion, ob diese Einschränkung der bürgerlichen Freiheit gerechtfertigt ist. Da erschafft die EU eine unsinnige Vorschrift, die fordert, jede geschäftliche E-Mail mit einem Anhang zu versehen, wie er bei Briefen üblich ist: Statt zu überlegen, ob diese Flut von Informationen auf gedrucktem Papier noch Sinn macht, wird sie munter auf das neue Medium übertragen.

Aus Brüssel stammt auch die Idee, künftig ein strenges Verbraucherlandprinzip gelten zu lassen. Somit würde bei jedem Kauf über das Internet das nationale Recht des Kunden gelten. Was in Zeiten des Versandhauskatalogs noch leidlich realistisch geklungen hätte, wirkt heute schlicht bizarr. Das erkennt jeder, der über Amazon englische Bücher bestellt, bei Ebay Sammlerstücke ins Ausland versteigert oder sich bei einem holländischen Tickethändler den Traum vom Besuch eines Arsenal-London-Heimspiels erfüllt.

In der Wirtschaft sieht es kaum besser aus in Sachen Netz-Wissen. Wer würde nicht zustimmen, dass der Vorstand eines Automobilkonzerns sich Ausfahrten auf der Teststrecke gönnen sollte, um die Fortschritte seiner Entwickler einschätzen zu können? Doch wenn eine Technologie Unternehmen so grundlegend verändert hat wie das Internet, dürfen sich Firmenlenker dann sogar damit brüsten, sie nicht einmal zu beherrschen?

Das Ergebnis: Blindlings wird derzeit in Start-ups investiert, deren Geschäftsmodell jedem mit gesundem Menschenverstand als wenig zukunftsträchtig erscheint. Die IT-Ausstattung vieler Unternehmen ist längst nicht mehr zeitgemäß. Und Gründer erhalten nur Geld, wenn sie ein Geschäftsmodell aus den USA kopieren. Originäre Ideen werden von Kapitalgebern abgelehnt mit ebendieser Begründung: es gebe kein US-Vorbild.

Deutschland dürfte die einzige Industrienation sein, in der Entscheider ihre Verweigerungshaltung gegenüber dem Netz so monstranzartig vor sich hertragen können, ohne kritisiert zu werden. Kein Manager, kein Politiker, der sich mit Inhalten beschäftigt, die eines der am stärksten diskutierten Themen amerikanischer Lokalpolitiker sind: Wie schaffen wir es, eine ganze Stadt mit einem kostenlosen Wireless-Lan-Netz zu überziehen?

Dass die Netz-Verweigerer so leicht davonkommen, ist kein Wunder: Nirgends werten klassische Medien das Internet so ab wie hier zu Lande. So machte die "Süddeutsche Zeitung" im Januar alle Besitzer von MP3-Musikspielern kollektiv zu Besitzern von Raubkopien. Im "Tagesspiegel" darf der bekannte Publizist Henryk M. Broder feststellen: "Das Internet macht doof." Und in den "Tagesthemen" sind es die "Herren der Handy-Videos", die ohne jeden Filter "Filmchen ins Internet stellen" - zum Beispiel von der Hinrichtung Saddam Husseins. Dass Blätter wie der "Stern" oder "Focus" die Bilder gerne nachdrucken, scheint kein Wort der Kritik wert. Die dürfen das. In solch einem Klima gedeiht sie gut, die Anti-Web-Haltung. Weder Politiker noch Manager müssen sich Sorgen machen, in den klassischen Medien an den Pranger gestellt zu werden ob ihrer Unwissenheit.

Die Folgen der Laissez-faire-Haltung werden den Standort Deutschland noch lang beschäftigen. Denn folgerichtig ist auch niemand da, der Eltern wachrüttelt, die ihren Kindern Computer vorenthalten wollen. Oder der sich um die Netzanbindung von Schulen kümmert.

Eine Studie der Europäischen Kommission lieferte im vergangenen Jahr schockierende Ergebnisse über die Internet-Anbindung deutscher Schulen: Nur zwei Drittel von ihnen besitzen einen Hochgeschwindigkeitszugang - Platz 21 von 27 untersuchten Ländern. Über die Hälfte aller Lehrer setzt Computer bestenfalls mal in jeder zehnten Unterrichtsstunde ein - oder gar nicht. 46 Prozent aller Lehrer gaben sogar zu, nicht über das nötige Wissen zum Einsatz des Computers in Schulen zu verfügen. All dies sind Zahlen, die zwei- bis dreimal so hoch sind wie im europäischen Durchschnitt.

Werfen wir zum Vergleich einen Blick nach Indien, in eine Oberschule im südindischen Chennai, beschrieben vom US-Fachblatt "Education Week": "Hundert Zwölftklässler drängen sich in dem violetten, neun mal acht Meter großen Raum ... Die Studenten hören andächtig zu, obwohl es schon fast zehn Uhr abends ist ... Wenn der Dozent eine Aufgabe stellt, versenken sie ihre Köpfe in ihre Notebooks." Wann sind ähnliche Bilder von deutschen Schulen kolportiert worden? Und welche Kinder sind besser gerüstet für den globalen Wettbewerb?

Und so wird sie immer breiter die Kluft zwischen Online- und Offline-Deutschen. Zum Schaden der Gesellschaft und zum Schaden des Wirtschaftsstandortes. Egal ob Behörde oder Unternehmen: Mitarbeiter, die nicht einmal eine E-Mail versenden, geschweige denn die Grundlagen des Surfens beherrschen, werden gezwungen dazuzulernen oder sie verlieren ihren Job.

Lebenslanges Lernen propagieren die Mächtigen - und sehen sich selbst von dieser Pflicht entbunden. Ausgerechnet jenen, von denen man erwartet, dass sie mit ihrem Wissen und ihrer Orientierung in unserer komplizierten Welt zu Leuchttürmen für das Volk werden, fehlt der Wille, sich mit dem Internet vertraut zu machen. Innenminister Wolfgang Schäuble sagte im vergangenen Jahr bei einer Rede an der Fachhochschule des Bundes: "Wir brauchen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, für die lebenslanges Lernen nicht ein notwendiges Übel, sondern Selbstverständlichkeit und Anregung ist." Es wird Zeit, dass dies auch für die Chefs gilt.
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